Wahlnachlese
Die Würfel sind gefallen. Was werden die folgenden fünf Jahre bringen? Ein Blick in die Glaskugel:
- Die SPD wird einsehen müssen, dass die Linken nicht einfach verschwinden werden. Man wird sich folglich arrangieren müssen und mit der Option Rot-Rot-Grün in die nächste Bundestagswahl ziehen.
- Gut für die SPD, dass es nicht geklappt hat. Jetzt kann sich die Partei in den kommenden fünf Jahren neu erfinden und in Ruhe neues Personal aufbauen. Die nächsten zwei Jahre können ruhig genutzt werden, um ein wenig uneinheitlicher zu sein, “Geschlossenheit” muss man permanent nur in der Regierung zeigen.
- Die Grünen müssen noch deutlicher klar machen, dass sie für mehr als nur Umweltschutz und Atomausstieg stehen. Das Wähler- und Politikerpotential der Piraten muss eingefangen werden. Gleichzeitig muss im Bereich persönliche Freiheit der FDP das Wasser abgegraben werden. Sollte die FDP das Innenministerium bekommen, wäre das besonders einfach, doch wird das wohl bei der Union bleiben. Aber vielleicht wird die Freiheitsstatue Weichewolle Westerwelle ja größenwahnsinning.
- Die Linken haben viele Forderungen. Manche klingen vernünftig oder zumindest berechtigt, andere utopisch und andere sind schlicht Unsinn. Wenn Rot-Rot-Grün auf Bundesebene möglich werden soll, muss man realistischer werden. Wenn Münte und eventuell gar Lafontaine sich aus der Spitze verabschieden, verschwindet auch der verletzte Stolz aus der rot-roten Beziehung und manches wird leichter.
- Die FDP kann sich freuen. Sie ist wieder da. Schade nur für Westerwelle, dass es von nun an abwärts geht. Wäre ja zu schön, wenn die FDP auch noch in der Regierung punkten könnte. Dafür bräuchte man aber wohl mehr als “Steuern runter” und “Arbeit muss sich wieder lohnen”. Ich fand übrigens immer, dass sich letzteres eher nach einem Ruf nach Mindestlohn anhört, als nach Entlastungen für Besserverdienende. Aber egal. Etwas mehr sympatisches Personal könnte auch nicht schaden, aber da kann die FDP naturgemäß nicht mit dienen. Schnösel sind halt nicht sympatisch.
- Schade, dass die Union Seniorpartner der Koalition ist. Sie werden nicht versuchen, Westerwelles “Steuern runtern, Einnahmen rauf”-Utopie umzusetzen, dafür ist der Staat zu klamm. Weshalb die FDP sich von der Idee nicht lösen wird. Und in fünf Jahren wieder damit antritt. Und in zehn. Und in fünfzehn. Usw. Usw. Würden die Linken oder Grünen etwas vergleichbares fordern, würde die Presse sie grillen.
Tja, ein frustrierender Tag geht zu Ende. Schließlich gab es nur zwei mögliche Ausgänge: Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot. Letzteres hätte ich noch schlimmer gefunden. Cholera oder die Pest? Da freut man sich auch über das geringere Übel nicht. In fünf Jahren kommt dann entweder die nächste große schwarz-rote Koalition (da die Union verlieren und die SPD nur leicht gewinnen wird) oder die erste Drei-Parteien-Koalition in der Geschichte der BRD. Das könnte interessant werden. Und ein Trend für die Zukunft. Die wirklich wichtigen Frage aber sind: Bleibt es langfristig bei fünf Parteien im Bundestag? Wird sich eine konversative Splitterpartei gründen? Die FDP aufspalten in Liberale und Wirtschaftsliberale? Die Grünen in Realos und Spontis? Und wann werden die Deutschen wieder echte Politiker an der Spitze haben wollen? So mit eigener Meinung, Überzeugung, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit, bei denen die Sache vor der Macht kommt? Ok, ich merke schon, ich fantasiere. Aber im Anbetracht der Realitäten, wer will es mir verdenken?